Erschienen in: Raum & Zeit - 22. Jahrgang Nr. 125 September/Oktober 2003 - www.raum-und-zeit.com
Schätze aus dem Unbewussten
Von Brigitte Molnar, München
Traumarbeit bei einem malaiischen Volk und in der modernen Therapie.
Die Reichtümer aus dem verborgenen Garten der Seele nutzt das südasiatische Volk der Senoi längst für sich. Täglich sitzt es im malaiischen Dschungel zusammen und wertet die Träume der Einzelnen aus. Die moderne Therapiemethode Synergetik-Profiling hat diesen achtsamen Umgang mit dem unbewußten Material zur Grundlage ihrer Arbeit gemacht.
Im 100 Millionen Jahre alten Dschungel Malaysias, dem ältesten Dschungel der Welt, wohnen etwa 32.000 Menschen des Volkes der Senoi mit insgesamt sechs Stämmen. Sie sind ungefähr 1,45 bis 1,60 Meter groß und von mittelbrauner Hautfarbe. Ihr Haar ist blauschwarz und leicht gewellt.
Der Alltag der Senoi
Die Senoi führen ein ländliches Leben, fischen, jagen mit Blasrohr und Fallen, pflanzen Reis, Mais, Hirse, verschiedene Gemüsesorten und Gewürze an. Die reiche Vegetation des Dschungels bietet ihnen Yamswurzeln, Pflanzen, Früchte und eßbare Blumen, mit denen sie ihre Mahlzeiten anreichern – insgesamt eine unbelastete, vielfältige und gesunde Nahrung, von der wir im Westen inzwischen nur träumen können. Im Überfluß der überaus üppigen Tier- und Pflanzenwelt, die ihnen der malaiische Dschungel zum Leben bietet, wenden sie täglich nur circa zwei Stunden für ihren Lebensunterhalt auf, einen Großteil der verbleibenden Zeit widmen sie ihren Träumen. Das Weltbild der Senoi ist hauptsächlich vom Animismus geprägt, der Vorstellung von einer Welt, in der alles beseelt ist. Tiere, Pflanzen, Menschen und Naturgewalten sind für die Senoi von einem „spirit“ belebt, dem ganz bestimmte aktive oder passive, negative oder positive Eigenschaften zugesprochen werden. Alles ist belebt, hat einen „mind“, wie wir heute sagen würden. Alles steht auch in Beziehung zueinander – eine Vorstellung, wie sie der Begriff des Karma in einem Wort zusammenfaßt. Für die Senoi ist es besonders wichtig, Botschaften aus der Natur zu entziffern, um in Harmonie mit ihr und ihren Gesetzen leben zu können. Dieses Bemühen ist bei uns mit der computeranimierten Messtechnik der Wettervorhersage im Zuge der weltweit immer weiter zunehmenden Klimakatastrophen auch wieder hoffähig geworden.
Hohe soziale Kompetenz
Mehrere Großfamilien leben in fest gefügten Gruppen unter der Führung eines „Headmans“, eines Häuptlings, der früher der Älteste des Dorfes war und heute meist von der Regierung ernannt wird. Die mitmenschlichen Beziehungen der Senoi, deren materielle Kultur noch der Stufe der Steinzeit angehört, hat ein Niveau erreicht, wie es der Westen nur in technischer Hinsicht im Bereich Informationsverarbeitung und Nuklearphysik zu bieten hat. Unabhängig voneinander bestätigen mehrere Forscher, daß seit rund 300 Jahren keine kriegerischen Auseinandersetzungen mit Nachbarstämmen stattfanden. Es gibt in Gruppen und Familien kaum Ansatzpunkte für Reibereien und Streit. Gewaltverbrechen aggressiver oder sexueller Art kommen nicht vor, auch keine Diebstähle oder Raubüberfälle. Kopfjägerei, Kannibalismus und Marterungen, wie sie in Malaysia durchaus gebräuchlich waren, sind unbekannt. Die Senoi sind erstaunlich gesund, einige Stämme sogar immun gegen Malaria. Geisteskrankheiten wurden nicht beobachtet. Schläge und alle anderen Bestrafungen körperlicher Art, wie sie beispielsweise Alexandra David-Neel als durchaus gebräuchliches Mittel tibetischer Meditationsmeister beschreibt, sind tabu. Es gibt keine starren Gesetze, eher Rahmenabmachungen, die je nach Situation ausgefüllt werden. Gefängnisse, Polizei oder psychiatrische Anstalten werden nicht benötigt. „Die Senoi sind der demokratischste Ureinwohnerstamm, der in der anthropologischen Literatur bekannt wurde“, berichtet der Anthropologe R. Noone. „Sie zeichnen sich aus durch ein hohes Maß an psychischer Integrität und Reife des Gefühlslebens, ferner durch eine Einstellung zur Gesellschaft, die kreative, nicht destruktive, mitmenschliche Beziehungen begünstigt.“
Traumhafte Traumkultur
Diese psychische und soziale Gesundheit ist nach Noone zu einem großen Teil der Traumarbeit zu verdanken, mit der die Senoi den überwiegenden Teil des Tages verbringen. Nachdem sie nur zwei Stunden in ihren Lebensunterhalt investieren müssen, bleibt ihnen viel Zeit, sich mit ihren Träumen auseinanderzusetzen, in Gesprächen, Gesängen, Tänzen und bildhafter Kunst. Seit Jahrhunderten steht Traumarbeit im Mittelpunkt ihres geistigen Lebens. „Ich habe geträumt, daß ich am Bach in den Fischfallen nachsehen wollte, ob Fische gefangen sind. Es sind so viele, daß ich einen Korb mitnehmen muß. Auf dem Weg zum Bach kommt plötzlich ein Riesenskorpion auf mich zu. Ich fürchte, daß er mich sticht, und vor Schreck lasse ich den Korb fallen und renne zurück ins Dorf.“2 Ein fünfjähriger Junge erzählt diesen Traum während des Frühstücks im Familienkreis. Der Vater bedankt sich bei seinem Kind dafür, daß es den Traum mitgeteilt hat. Er antwortet: „Dein Traum geht uns alle an. Du läufst vor einem Skorpion weg, du läßt deinen Korb fallen, du hast die Fische nicht mitgenommen. Wir wollen nun sehen, welche Möglichkeiten du hast, mit der Angst fertig zu werden. Denn irgendwo wirst du dem Skorpion wieder begegnen, vielleicht in einer anderen Gestalt und mußt dich dann wieder mit ihm auseinander setzen.“
Steifzüge durch das Unbewußte
Das Kind macht entsprechend seinem Alter Vorschläge, was es tun könnte: den Korb über das Tier stülpen oder über das Tier hinwegspringen. Dann träumt der Junge mit geschlossenen Augen in einem entspannten Zustand den Traum in eine Art Tagtraum um und spricht. „Ich gehe auf dem Weg zum Bach und will Fische holen. Plötzlich sehe ich einen giftigen Riesenskorpion. Ich will weglaufen, bleibe aber stehen. Ich habe große Angst, sehe mir jedoch das Tier genau an. Ich rufe meinen älteren Bruder um Hilfe. Der zeigt mir, wie man den Skorpion anfaßt, so daß er nicht stechen kann. Wir nehmen das Tier mit und geben es dem Ältesten, der aus dem Gift eine Medizin macht. Dann gehen wir und holen die Fische aus dem Bach.“ Es ist für den Vater des Jungen gar nicht notwendig, die hochkomplizierte Mechanik des Traumes in allen Einzelheiten zu kennen. Er muß nicht darüber spekulieren, welches psychische Gift seines Sohnes im Bild von einem giftigen Skorpion symbolisch zum Ausdruck kommt. Ob sein Sohn vielleicht ärgerlich ist, daß er die Arbeit des Fischeholens alleine übertragen bekommt anstatt gemeinsam mit seinem älteren Bruder, den er im Tagtraum ja dann auch zur Unterstützung heranzieht. Für den Vater ist es wichtiger, daß sich der Junge von seinem Gibt befreien kann, so daß es nicht die ganze Gemeinschaft gefährdet. Folgerichtig läßt er seinen Sohn als Schöpfer des Traumes und als Mediator der Familienenergien diese Energien ordnen und in zielführende Aktion transformieren. Später wird er mit seinem Sohn in den Wald gehen und ihm zeigen, wie er mit dem Furcht erregenden Tier fertig wird.
Die tiefe Wirklichkeit der Träume
Erst tragen die Kinder, dann die Erwachsenen ihre Träume dem Headman vor, der die Arbeit leitet. Dies kann sich bis in den Nachmittag hineinziehen. Da die Kinder täglich die Eltern erzählen hören und die Reaktionen der anderen auf deren Träume miterleben, sind ihre eigenen Traumberichte für sie etwas Selbstverständliches.
Für die Senoi ist das Traumerleben genauso real und wichtig wie das Erleben der Wirklichkeit.
Nachdem die Familie die Träume der Einzelnen diskutiert hat, versammeln sich die Männer der Senoi im Rat, dem ein „halaaq“, ein Schamane, vorsteht. Hier werden jetzt die eindrucksstärksten Träume diskutiert und aufgearbeitet. Für die Senoi „ist das Traumerleben genauso real und wichtig wie das Erleben der Wirklichkeit“. Dem Traumforscher Wolf von Siebenthal zufolge sind Träume eine „tiefere Ebene des Bewußtseins. Und so, wie der Träumer während des Traumes mit sich selbst identisch ist, so empfindet er auch das, was im Traum geschieht, als eine den Vorgängen des Wachzustands gleichkommende Wirklichkeit.3 Genauso erleben es die Senoi und sie betonen, daß ein Mensch in seinen Träumen die Möglichkeit hat, das in seiner Seele wahrzunehmen, was er sonst hinter einer Fassade versteckt hält. Für sie gilt, „daß der Mensch sein tiefstes Selbst und seine größte kreative Kraft dann erlebt, wenn seine seelische Dynamik vom unmittelbaren Kontakt mit der Umwelt befreit ist. Am freiesten ist der Mensch also im Schlaf. Das soziale Akzeptieren der Träume durch die Gruppe bedeutet daher die höchstmögliche Akzeptanz des Individuums, das den Traum berichtet“, so Kilton Stewart, der zusammen mit Noone die Senoi entdeckte.
Dialog mit der anderen Seite
Die täglichen Traumbesprechungen der Senoi verfolgen das Ziel, einen Dialog mit der „anderen Seite“, die jeder Mensch in sich hat, zu führen. Diese kann erst dann als wohlwollender, helfender Freund integriert werden, wenn sie beachtet und ihre Botschaft entschlüsselt wird. Eine bejahende und akzeptierende Einstellung fördert auch die Fähigkeit, sich mit täglicher Selbstverständlichkeit an seine Träume zu erinnern. Dies ist durchaus nicht selbstverständlich. Ich kenne viele Leute, die mir ernsthaft versichern, daß sie seit Jahren oder Jahrzehnten nicht träumen. Natürlich kann das nicht stimmen, da jeder Mensch träumt. Wäre das nicht der Fall, würde er psychisch erkranken, denn die Aufarbeitung dessen, was er tagsüber erlebt, wird in der Nacht unbewußt von seinem Hirn geleistet. Menschen, die sich an ihre Träume nicht mehr erinnern können, können aber Mithilfe von Synergetik-Profiling bewußt in Kontakt mit dem Bildmaterial des Unbewußten kommen.
Synergetik – die aufmerksame Schwester des Traums
Bernd Joschko, Physik-Ingenieur und Leiter des Synergetik Therapie Instituts/Rossbach bei Gießen hat das Vermächtnis der Traumkultur der Senoi für den Westen nutzbar gemacht. Er erfand die Methode des Synergetik-Profilings, die mittlerweile seit zwei Jahrzehnten im deutschsprachigen Raum (Schweiz, Deutschland, Österreich) angewendet wird. Ausgangspunkt einer Sitzung kann ein Traum, ein psychisches oder ein körperliches Symptom sein. Der Klient gleitet dann in einer Art „Innenschau“ in seine eigene Welt hinab und wandert wie in einem Tagtraum an seinen Wahrnehmungen entlang. Er kann hier schwerelos umhergehen, bekannte und fremde Menschen treffen, Abenteuer bestehen, seinen Erzrivalen zum Kampf herausfordern und besiegen oder sich bestimmte Wünsche erfüllen. Mit der Unterstützung des Profilers kann er die Elemente des Tagtraumes so lange umgestalten, bis er zu einem stimmigen Ende findet. Die Wege einer solchen Reise sind verschlungen und erscheinen manchmal gefährlich, aber die Ergebnisse können sich immer sehen lassen: Eine Kurzgeschichtenschreiberin bahnte ihrem Talent zum Beispiel auf diese Weise einen Weg in die Außenwelt; eine Angestellte entstieg dem Mobbing-Ring am Arbeitsplatz, in dem sie jahrelang gefangen war; ein Mann konnte sich endlich mit seinen homoerotischen Neigung anfreunden. Eine todkranke Frau entdeckte die Hintergründe ihrer bedrohlichen Krankheit und veränderte diese mit Unterstützung von Synergetik-Profiling so lange, bis sie die Ursachen für die Krankheit lösen konnte und ihr Körper allmählich, aber naturgesetzlich auf den Normalzustand, auf Gesundheit, umschaltete.“4 Synergetik, ein Begriff von dem Physiker Prof. Hermann Haken, steht für ein Zusammenwirken aller Kräfte, bei dem das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Oder anders formuliert: Warum fährt ein Auto? Weil es Reifen hat? Weil es ein Lenkrad hat? Weil es ein Lenkrad hat? Weil jemand hinterm Lenkrad sitzt? Oder weil man Benzin eingefüllt hat? Auf den Menschen übertragen, muß die Frage lauten: Warum ist er krank oder gesund, erfolgreich oder erfolglos? Warum ist er, wie er ist? Es muß immer das Zusammenwirken aller Energien beachtet werden, wenn man ein Ergebnis herbeiführen will. Synergetik-Profiling sucht immer nach Mustern im Hintergrund, beispielsweise nach einem Täter- oder Opferprofil.
Mithilfe dieser Methode kann der Klient seine Wahrnehmung erweitern, dadurch seine persönlichen Ziele in der Innenwelt etablieren und verfolgen, so daß er sich auch in der Außenwelt erreichen kann. Wichtig ist noch zu wissen, daß der Klient während der Sitzung niemals seinem Unterbewußtsein ausgeliefert ist, da verschiedene Bewußtseinszustände parallel aktiviert sind. Das heißt, er behält die volle Steuerungsfähigkeit des Beta-Zustandes (ca. 30-15 Hz) bei und kann gleichzeitig über den Alpha-Zustand (ca. 15-7,5 Hz) mit seinem Unterbewußtsein kommunizieren.
Die gestaltende Kraft des Träumers
Bei der Traumarbeit der Senoi und der Synergetik kann die archaische Kraft der Bilder Emotionen und Handlungsmöglichkeiten freisetzen, die für den Betreffenden sehr wichtig sein können. Die Gestalten des Traumes werden als Teil des eigenen Selbst gesehen. Begegnet man im Traum einer Gestalt, beispielsweise der eigenen Mutter, dann ist es nicht die Mutter aus der Außenwelt, sondern die Mutter aus der Innenwelt des Träumers. Sein Traum repräsentiert nur dessen Vorstellung von seiner Mutter, also die Subjektebene des Träumers.
Was dem Westen jedoch fehlt, ist das Entdecken der Innenwelt.
An dieser Vorstellung ist natürlich auch die reale Mutter beteiligt, aber in noch größerem Ausmaß die Art und Weise, wie der Träumer auf die Mutter reagiert, also sein Modus der Verarbeitung der Persönlichkeit der Mutter.5 In einer Traumszene spiegelt sich die Beziehung des Träumers zu seiner Außenwelt. Begegnet er im Traum einer Gestalt, ist es entscheidend, was er aus der Traumbegegnung macht, und nicht nur, was ihm geschieht. Und darin liegt ein Kernstück der Traumarbeit: Die eigenen Energien, die sich in Träumen ausdrücken, sind gestaltbar. Schafft man es während des Nachttraumes nicht, eine schwierige Situation harmonisch aufzulösen, so kann man dies in einem geführten Tagtraum nachholen und dabei wichtige Erfahrungen sammeln. Das oberste Ziel ist es dabei, die Kräfte der Innenwelt beziehungsweise des „Traum-Universums“ so gut zu koordinieren, daß die Seele die Herausforderung des Traumes gut bewältigen kann. Gefühle von hilflosem Ausgeliefertsein an übermächtige Kräfte können so einer aktiven Auseinandersetzung mit diesen Kräften weichen und der Selbststeuerung Platz machen. Um dieses Ziel zu erreichen, beachten die Senoi drei Grundsätze:
Der Träumer soll:
• Sich dem Gegner beziehungsweise der eigenen Angst und Aggression stellen.
• Einen positiven Traumausgang anstreben.
• Den Helfern im Traum oder den Zuhörern am nächsten Morgen ein Traum-Geschenk überreichen. Solche Geschenke können ein Gesang, eine Maske, ein Tanz oder eine Einladung an die Gruppe sein, bei der Erarbeitung des Geschenkes mitzuwirken. Geträumte Gesänge gehören bei den Senoi zu den bedeutsamsten Traumgeschenken.
Uralte Erfahrungen
Warum die Arbeit mit den inneren Bildern so erfolgreich ist, kann mit neueren Forschungen erklärt werden, denen zufolge der größte Anteil der Persönlichkeit pränatal, also im Mutterleib gebildet wird.6 Im dritten Lebensjahr des Kindes ist die Persönlichkeitsbildung abgeschlossen. Das bedeutet, daß der Großteil der Erfahrungen des neuen Menschen vorsprachlich geprägt ist und sich nur in Bildern und Symbolen ausdrücken kann. Synergetik ist in der Lage, die Bilder des Klienten von ihm selber in Aktionen wie Staunen, Weinen, Lachen, Schlagen oder Sprache übersetzen zu lassen. Verbales und nonverbales Material wird also bei der Innenweltarbeit über alle Sinneskanäle umgesetzt, so wie ja auch alle Sinneskanäle bei der Entstehung des Menschen und seiner Persönlichkeit beteiligt sind.
Innere Harmonie dringt nach außen
Diese Reisen zu den tiefsten Ebenen der Persönlichkeit sind sehr wertvoll, und man beendet sie immer bereichert. Man kann mit Hilfe dieser Selbstheilungsmethode den Minus-Bereich seines Lebens, sei es Krankheit oder Unglück, verlassen und / oder seine Potentiale entwickeln. Verglichen mit den Senoi sind wir Meister im Erkunden der Außenwelt und sind auch entsprechend technisch ausgerüstet. Was dem Westen jedoch fehlt, ist das Entdecken der Innenwelt. Erst wenn wir hier mehr über die Gesetze des eigenen Lebens und des Lebens überhaupt erfahren, wird das Voranschreiten in der Außenwelt umsichtiger sein. Erst dann wird Fortschritt nicht mit einer Zerstörung der Umwelt einhergehen, sondern durch das Wissen um die Gesetze des Lebens gesteigert werden.
Sitzungsbeispiele
Das Beispiel der folgenden Sitzung soll zeigen, wie die Synergetik die Grundsätze der Senoi-Traumarbeit umsetzt. Im Mai 2003 kam ein Klient zu mir, der seit 32 Jahre Depressionen hatte. Nachdem ich ihn durch eine Übung in einen Tiefenentspannungszustand geführt habe, erzählte er mir seinen Traum: Klient (Kl.): Ich befinde mich in einer Art Garage, es sind viele Leute da, aber sie haben keine Körper, sondern wirken eher wie lebende Tote, wie Gespenster. Ich habe das Gefühl, daß sie mich mit den schwingenden Bewegungen ihrer Arme nach vorne schaukeln. Dort ist ein Gespenst, das auf mich zukommt und mich anschaut. Es ist nett, schaut mich freundlich an, legt seine warme Hand auf meine Wange und schaut aus, als hätte es mir etwas zu sagen. Es sagt aber nichts, sondern schaut mich nur mitleidig an. Profiler (PR.): Bitten Sie es, sich zu äußern (Aufforderung an das Bewußtsein des Klienten, sich mit seinem Energieausdruck „Gespenst“ auseinander zu setzen.) KL.: Es sagt aber nichts, im Gegenteil, es beginnt, sich mir zu entziehen. Pr.: Sagen Sie ihm, es oll bleiben und erklären, warum es so mitleidig schaut. Was weiß es denn, was Sie nicht wissen? Kl.: Es macht sich davon. (Vielleicht ist dies ein Muster des Klienten aus der Kindheit, das dadurch entstand, daß seinem Bedürfnis nach Information nicht Rechnung getragen wurde.) Pr.: Wie ist das für Sie? Kl.: Ich fühle so etwas wie Ärger, möchte es schütteln. Er macht auch die Armbewegungen dazu, verstärkt diese entgegen meinem Vorschlag jedoch nicht, sondern meint, er müsse vorsichtig sein, um das Gespenst nicht zu verärgern. Er stellt sich also nicht der Aggression. Kl.: Jetzt ist es vollständig entfleucht. Pr.: Wie ist das für Sie? Kl.: Ich habe plötzlich das Gefühl, als drückt jemand beide Fäuste gegen meinen Brustkorb, um Wasser rauszupressen (Energieausdruck des Klienten in Form einer Körperreaktion), das ich unbemerkt verschluckt habe (er war also offensichtlich psychisch am Ertrinken). Sein Großvater fällt ihm ein, der sich ertränkt hat. (Der Körper des Klienten hatte diese historische Tatsache gespeichert, die jetzt auch in sein Gedächtnis dringt). Pr.: Lassen Sie ihn da sein und erzählen Sie ihm, was Sie über ihn gehört haben. (Wichtiges Gesetz der Innenweltarbeit: direkte Ansprache der Energiebilder)
Kl.: Mein Großvater hat sich nach dem Krieg ertränkt. Er soll sehr streng, aber auch sehr gerecht gewesen sein, so hat es meine Mutter erzählt. Er war Soldat, wohnte auch in der Kaserne. Sie hatte abends, wenn er nach Hause kam, immer Angst vor seiner Rückkehr, denn er war jähzornig, und meine Mutter mußte immer den Buckel für ihre beiden Schwestern hinhalten. Ich bin ich auch jähzornig, ich sehe ihm auch ähnlich, sagt meine Mutter. Er fährt bewegt fort: Jetzt sehe ich ein Foto (Energieausdruck „Erinnerung), wo er mich auf dem rechten Arm hält und ganz stolz schaut. Ich bin ungefähr vier Jahre alt. Pr.: Ja, spüren Sie dies und sagen Sie ihm, wie er Sie hält, voller Kraft und voller Stolz auf seinen Enkel! (Aufforderung zur Ankerung und zur Steigerung des Glücksgefühls). Klient wird innerlich noch bewegter und erzählt weiter: Kl.: Nach dem Krieg ist meine Großmutter von B. aufs Land nach C. gezogen, mein Großvater hatte in B. einen beruflichen Neustart versucht, der ihm offensichtlich nicht gelungen ist. Er hat sich im Fluß ertränkt. Weint bewegt über die Einsamkeit seines Großvaters in dessen Sterbestunde und sagt ihm, daß er jetzt jemanden gefunden hat, zu dem er gehört. Erkennt sehr bewegt, daß die Tatsache, daß sein Großvater in B. und nicht auf dem Land in C. in der Nähe der Großmutter beerdigt wurde, ihn zum Ausgestoßenen aus dem Familienverband gemacht hat. Es wurde nie wieder drüber gesprochen, auch wenn er nachgefragt habe, gab es immer nur Andeutungen. Er fühle sich ihm verbunden und will ihn als Ratgeber. Pr.: Wobei kann Ihr Großvater Ihnen denn raten? (Testfrage, da ich mir nicht sicher bin, ob der Großvater als Ratgeber fungieren kann.) K.: Es kommt nichts … Fühle mich sitzen gelassen. Pr.: Woher kennen Sie das? (Vielleicht ist dies ein Muster des Klienten aus der Kindheit, das dadurch entstand, daß er nicht ernst genommen wurde.)
Schreck als 10-Jähriger
Kl.: Ich bin ungefähr 10 Jahre alt, spiele mit einem Freund. Ich habe ein Tütchen Niespulver in der Hand und will ihm davon etwas in die Nase blasen. Aber es kommt in seine Augen. Der Freund schreit fürchterlich auf und gebärdet sich, als wäre etwas Schreckliches passiert. Er läuft weg, und ich sitze da mit meiner Ungewißheit, weiß nicht, was los ist, habe Angst, daß er erblindet und mache mir Selbstvorwürfe. Er windet sich in diesem unheilschwangeren Gefühl. Pr.: Ja, auch hier wurden Sie buchstäblich sitzen gelassen. Jetzt, in diesem Augenblick, besteht die Möglichkeit des Neuschreibens dieser Geschichte. Was unternehmen Sie? (Aufforderung, belastendes Material umzuschreiben.) Kl.: Ich gehe zum Elternhaus des Freundes und erkundige mich, wie es ihm geht – anscheinend ganz gut, es ist nichts zurückgeblieben. Ich entschuldige mich bei ihm und seinen Eltern – sie nehmen es an. Der Klient ist sichtlich erleichtert. Pr.: Schön, das Ungewisse, Aufgeblasene ist jetzt verschwunden, die Situation ist jetzt geklärt. Etwas an der Art, wie ich dies sage, erinnert ihn an seine Eltern. Kl.: (erregt) Genau, dieses Unklare, Ungewisse, unausgesprochene Wissen, über das nicht gesprochen wurde, und dazu große Gebärden. Das war auch bei meinen Eltern. Pr.: Lassen Sie sie da sein und sagen Sie es ihnen (direkte Ansprache des Energieausdrucks „Erinnerung“ und synergetisches Familienstellen in der Innenwelt des Klienten).
Gespräche können nachgeholt werden
Kl.: Mutter, was lief da immer und wurde nicht ausgesprochen? Was weißt du über den Tod deines Vaters? Wenn ich dich gefragt habe, hast du dich weggedreht und geschwiegen. Nach dem Tod deiner Mutter hast du gesagt, daß du ab jetzt nie mehr etwas an dich heranlassen würdest … Pr.: … und auch nichts mehr aus dir heraus? Kl.: Ja, du hast dir einen Schutzpanzer zugelegt, der nichts rein- aber auch nichts mehr rausließ. Pr.: Wie reagiert sie? Kl.: Gar nicht. (Klient reagiert nach gleichem Muster wie seine Mutter, da auch er keinen Energieausdruck, in dem Fall seiner Mutter gegenüber, zuläßt.) Pr.: Treffen Sie mit ihr eine Abmachung, daß diese Sache mit ihr noch zu klären ist, da jetzt die Zeit zu knapp ist, um dieses Muster, das wahrscheinlich einen größeren Hintergrund hat, noch anzuschauen. Kl.: Verbalisiert den Vorschlag laut an seine Mutter. Pr.: Wie geht es den Gespenstern, dem freundlichen Gespenst? (Aufgreifen des angesprochenen Energie-/Traumausdrucks, um zu testen, ob sich dort eine Veränderung zum Positiven im Laufe der Sitzung ergeben hat). Kl.: Das nette Gespenst ist nach oben entfleucht, die anderen drehen sich um und schlurfen in schweren Kutten weg. (Es scheint wirklich ein Muster „sitzen gelassen, nicht ernst genommen werden“ vorzuliegen, da diese Situation zum wiederholten Mal in der Sitzung auftaucht.) Pr.: Wie ist dieses „Sitzengelassenwerden“ für Sie? Kl.: Wird ärgerlich, fordert die Kutten auf, sich umzudrehen, Stellung zu beziehen, die Kutten zu lüften – keine Reaktion! Wird noch ärgerlicher, schreit sie an, sich endlich zu zeigen, ihn nicht länger hinzuhalten, schlägt kräftig mit dem Schlagstock minutenlang auf sie (die Gespenster als Energieausdrucks seines Gehirns) ein, um sie zu einer Reaktion zu bewegen (Klient stellt sich seiner Aggression). Pr.: Was geschieht? Kl.: (atemlos) Ja, sie öffnen ihre Kutten … es ist nichts drunter … alles hohl … nichts das (Musterkippung, das heißt die neuronalen Abspeicherungen im Gehirn des Klienten haben sich geändert und erzeugen einen geänderten Energieausdruck, denn die Gespenster gehen auf ihn ein und geben ihr Geheimnis preis). Pr.: Woher kennen Sie das? (Abrufen eventueller, biographischer Prägung.) Kl.: (erregt) Aus dem Andeutungsgehabe meiner Eltern, die mich in einer Atmosphäre von Andeutungen mit anschließendem Schweigen alleine ließen und mir, wahrscheinlich in der guten Absicht mich zu schützen, nichts Genaues gesagt haben. Pr.: Können Sie Ihr Gefühl direkt Ihren Eltern gegenüber ausdrücken?
Klare Verhältnisse schaffen
Kl.: Mutter, nimm bitte zur Kenntnis, daß ich sehr wohl gespürt haben, was da immer im Hintergrund an schweren Sachen lief, zum Beispiel daß es mit eurer Ehe nicht zum Besten stand, daß der Selbstmord meines Großvaters eine Ungeheuerlichkeit war. Laß mir meine Wahrnehmung und laß diese meine Wahrnehmung bitte auf dich wirken. Wir werden ein anderes Mal, bei passender Gelegenheit, wieder drauf zu sprechen kommen. Pr.: Ist sie einverstanden? Kl.: Ja Pr.: Jetzt haben Sie eine gleichberechtigte Basis geschaffen, aufgrund derer Sie zukünftig in Ihrer Innen-, vielleicht auch schon in Ihrer Außenwelt mit Ihrer Mutter sprechen können. Suchen Sie sich in Ihrer Innenwelt einen Platz zum Ausruhen und kommen Sie in Ihrem Tempo in die Außenwelt. Ende. Diese Sitzung nahm zweieinhalb Stunden in Anspruch. Wenn der Klient später die aufgenommene Sitzung von der Kassette hört, ist er meist überrascht, wie langsam er gesprochen hat. Noch erstaunlicher sind die Antworten. Im Alpha-Zustand des Liegens gibt man andere Antworten als im Beta-Zustand des Kassette-Hörens. Diese Sitzung zeigt deutlich, daß der Klient familiärer Vorbelastung ausgesetzt war. Die Macht der Ahnen, wie sie im Systemischen Familienstellen nach Bert Hellinger in der Außenwelt nachgestellt wird, wirkt auch in der Innenwelt des Klienten. Mit Synergetik-Profiling können die Gespenster als Gespenster, eben als neuronale Muster der Gehirntätigkeit, wahrgenommen werden. Durch die direkte, konkrete Auseinandersetzung mit belastenden Lebenssituationen werden die emotionalen Altlasten aufgelöst. Der neu gefundene Energieausdruck kann sich später in der Außenwelt manifestieren. In der Tat kam der Klient nach einigen Sitzungen energetisch in Kontakt mit seiner Mutter und mit seiner Lebenskraft. Während seiner Kindheit war sie für ihn aufgrund von Überforderung energetisch abwesend, weshalb er so lange an Depressionen litt. Die Innenwelt ist die Wiege des Lebens in der Außenwelt, der so genannten Realität. Das beweisen die glücklich Senoi seit Hunderten von Jahren. Reisen in die Innenwelt sind Reisen, die einen ans Ziel bringen, zu sich, seinen Wünschen, Ängsten, Verletzungen und Träumen. Sie sind preiswert-schonend und in der Lage, eine neue, menschlichere Welt zu schaffen. Der westlichen Kultur des Konsums und Kommerzes, des mechanistischen Umgangs mit Kranken, die dem der kriegstreiberischen „Friedenspolitik“ auf größerem Parkett in nichts nachsteht, kann eine Kultur der Innenweltarbeit entgegengesetzt werden. Eine große Anzahl von Innenwelt-AktivistenInnen unterstützt diese Entwicklung seit vielen Jahren. Es geht also nicht darum, auf den Fortschritt zu verzichten, sondern darum, eine Lebensweise zu finden, welche die Regeln der Nachhaltigkeit beachtet und so unseren Kindern ein in die Unendlichkeit gedachtes Leben ermöglicht. In diesen Wunsch schließe ich die inzwischen vom technischen Fortschritt gefährdeten Senoi mit ein. In einigen Gruppen steht mittlerweile ein Fernsehapparat und nicht mehr die eigene Traumarbeit im Mittelpunkt ihres täglichen Lebens. Träume fremden Inhalts beginnen, sich ihrer zu bemächtigen. Die inneren Schätze aber warten darauf, entdeckt zu werden.
Brigitte Molnar
Synergetik Therapeutin, Mitglied im Berufgsverband für Synergetik-Therapeut/Innen BVSTe.V. geboren 1952.
Während meiner Arbeit als Gymnasiallehrerin (mit den Fächern Sport, Sozialkunde, Ethik), die ich seit 1980 ausübe, habe ich von 1986-1991 eine tiefenpsychologische Analyse nach C:G: Jung gemacht. In1995 lernte ich in Peking Qi-Gong kennen, woraufhin ich in München an einer Qi-Gong-Ausbildung teilnahm. Hier machte ich erste Erfahrungen mit heilenden, körpereigenen, selbstinduzierten Feldern.
Schließlich entdeckte ich die Synergetik für mich, nachdem ich seit 1986 mit Träumen arbeite. 1999 begann ich mit der Ausbildung in Synergetik am Synergetik Therapie Institut in Roßbach/Gießen, die ich 2001 als Synergetik Therapeutin für Innenweltarbeit abschloß.